Am 17. März sind wir in unserem Camp am Arenalsee angekommen. Seit dem 20. März befinden wir uns in einer freiwilligen Quarantäne. Wir haben wirklich großes Glück und hätten es besser nicht treffen können. Wir fühlen uns sehr sicher, heimisch und teilweise sogar ein bisschen angekommen. Normalerweise reisen wir mit einem relativ schnellen Rhythmus und plötzlich werden wir entschleunigt. Auf einmal haben wir Zeit. Viel Zeit. Die Zeit verliert an Bedeutung. Momentan scheint die Weiterreise sehr weit weg und ist tatsächlich ungewiss. Die Panamericana pausiert auf unbestimmte Zeit. Niemand weiß, was kommt. Aber auch wenn momentan alle Zeichen dagegenstehen, irgendwann wird sich die Welt wieder normalisieren und es wird ein Leben und ein Reisen nach dem Corona Virus geben. Bis dahin leben wir in unserem ländlichen Paradies, von dem ich euch in diesem Bericht nun etwas näher berichten möchte.
- So sieht unser Standplatz aus. Wobei einige noch einmal umparkieren in den kommenden Tagen. Platz haben wir ja mehr als genug.
- Und falls ihr den Eindruck habt, das könnte auch irgendwo in der Schweiz oder im Allgäu sein, dann liegt ihr nicht ganz falsch. Wir sind in der Schweiz Mittelamerikas gestrandet, im Pequeña Helvetia, der kleinen Schweiz.
- Und so sieht es von oben aus. Das Anwesen ist 200 Hektar groß, wir haben also das große Glück, uns auch in Quarantäne wirklich ausreichend bewegen zu können.
- Der Arenalsee ist auf der anderen Straßenseite. In den nächsten Tagen werden wir Angelruten besorgen um im See fischen zu können.
- Einige Camper richten sich auf der Wiese ein.
- Diesen Teil des Camps nennen wir das „Dorf“. Sieht doch richtig idyllisch aus, nicht wahr?
- Im Hintergrund seht ihr die kleine Kapelle und rechts das Haus mit den Ferienwohnungen. Hier haben es sich Mitfahrer gemütlich gemacht, denen der Camper stationär auf Dauer zu eng war.
- Gleich zu Beginn sind wir fleißig und verschönern die Plätze, zupfen Unkraut, fegen…
- Hier seht ihr das Viadukt des kleinen Zuges, den wir neulich genommen haben.
- Wüsste ich es nicht besser, würde ich wirklich meinen, ich sei in der Schweiz und bin da mit meiner Meinung sicher nicht allein.
- Das Innere der Kapelle ist sehenswert.
- Vreni und Fonsi werden uns am Donnerstag verlassen. Sie bringen Ihren Camper wie Lucero und Hans in den Zollverschluss und fliegen am Sonntag in die Schweiz. Wir haben noch zu einem gemeinsamen Rösti-Essen abgemacht und es wäre sehr schön, wenn das auf mittelamerikanischen Boden stattfinden würde! Kommt gut nach Hause und passt auf euch auf! Und wir sehen uns hoffentlich bald wieder. Auch Irma und Behan sind inzwischen daheim in den Niederlanden angekommen. Auch ihr bleibt bitte gesund!
- In den ersten Tagen ist jeder froh über die neugewonnene Zeit. Endlich einmal liegengebliebene Arbeiten erledigen, Fotos sicher und sortieren. Langeweile? Fehlanzeige!
- Das Klima hier ist übrigens perfekt für uns Mitteleuropäer. Tagsüber sommerlich warm, aber nicht zu heiß und nachts kühlt es ab, so dass man super schlafen kann. Es regnet auch immer mal wieder, aber nicht so, dass es wirklich stört, sondern meistens nur kurz.
- Einige helfen im Stall die Kühe zu melken.
- Bei Bärbel sieht das so aus, als sei ein Profi am Werk!
- Vier—äh, verzeiht, zwei Hühner!
- Wir organisieren uns recht gut und verteilen die anfallenden Aufgaben. Arbeit gibt es hier sicherlich für mehrere Monate, auf so einem großen Gelände gibt es immer etwas zu tun.
- In den nächsten Tagen konkretisieren wir einige Ideen.
- Neben der geplanten Arbeit (Gemüsebeet anlegen, Minisupermarkt einrichten, Steg zum Angeln bauen usw.) soll es auch spielerische Aktivitäten geben. Mäxe ist sozusagen der CEO der Unterhaltung und startet einen Jass-Kurs, ein sehr beliebtes Schweizer Kartenspiel.
- Ich nehme selbst auch am Jass-Kurs teil. Es gibt so viele verschiedenen Varianten und es entsteht bei mir der Eindruck, einige Regeln wurden nur eingeführt um bei Nicht-Schweizern für Verwirrung zu sorgen. Aber es macht Spaß und um die eigenen Jass-Künste zu perfektionieren haben wir ja noch etwas Zeit in den nächsten Wochen.
- Stefan, rechts im Bild, koordiniert die anfallenden Aufgaben und ist von früh bis spät unermüdlich im Einsatz.
- Bärbel und Walda bieten Walken an, dabei laufen sie zum Drehrestaurant hoch, machen oben einige Übungen und laufen wieder runter. Hier war ich bis jetzt noch nicht dabei, aber es kann ja noch kommen!
- Das Walken lohnt sich nicht nur wegen der sportlichen Betätigung, sondern auch wegen der herrlichen Aussicht mit Blick auf den Vulkan Arenal.
- Der Arenalsee hat zurzeit weniger Wasser als sonst.
- Auch Erwina verlässt uns schweren Herzens. Sie hat sich die Entscheidung nicht leicht gemacht. Wenn man noch die Eltern daheim hat und weiß, dass man bald nicht mehr zu ihnen kommt, auch nicht im Notfall, ist es verständlich, dass sie uns für den Unterbruch verlässt.
- Sie verabschiedet sich mit einem feinen 11-Uhr Apéro mit Edelweiss-Wein. Sie fliegt auch mit der Fluggesellschaft Edelweiss, daher passt der Wein ganz gut.
- Die Häppchen sind lecker, der Apero ist gelungen, danke euch!
- Erwina wird in der Gruppe fehlen. Wer wird in Zukunft die Geburtstagskarten schreiben und überreichen? Liebe Erwina, heute bekommst du eine Karte von uns. Mit einer Brücke darauf, die auch symbolischen Gehalt hat. Wir wünschen dir eine gute Zeit in der Schweiz, deinen Eltern und dir weiterhin gute Gesundheit und eine gute Rückkehr nach Costa Rica!
- Silena und Stefan, unsere Gastgeber, organisieren eine nagelneue Waschmaschine.
- Die Waschmaschine wird oben beim „Bahnhof“ installiert und ab sofort darf sie jeder benutzen.
- Wir sind bestens organisiert. Wir können Eier kaufen von den Hühnern hier vom Hof und jeden Abend wird für uns ein Essen gekocht im Restaurant. Zudem kann man auf diversen Bestelllisten vermerken, was man noch benötigt.
- Ruedi ist für die Versorgung zuständig und erledigt seinen Job sehr gewissenhaft. Tom, der deutsche Bäcker, beliefert uns sogar mehrmals pro Woche mit deutschem Brot, Brezeln und Gebäck.
- Auch mit deutscher Wurst und Fleischware werden wir versorgt.
- Da wir die Quarantäne ernst nehmen, darf niemand mehr aufs Gelände fahren. Die Ware wird am Tor unten übergeben.
- Auch der Obst- und Gemüselieferant kommt zweimal pro Woche. An die Schutzmaske muss ich mich erst noch gewöhnen, aber sicher ist sicher! Jeder Camper bekommt seinen bestellten Einkauf in einer Kiste, perfekt organisiert das Ganze!
- Seabridge erklärt die Panamericana auf Grund der Pandemie offiziell für unterbrochen. Das Auswärtige Amt empfiehlt allgemein, in die Heimat zurück zu kehren. Dieser Empfehlung schließt sich auch Seabridge an (sie können als Reiseveranstalter rein rechtlich auch gar nicht anders). Die große Mehrheit hat sich jedoch dafür entschieden, vorerst in Costa Rica zu verweilen. Seabridge schlägt daher den offiziellen Unterbruch der Reise vor. Dieser Schritt ist in Anbetracht der außerordentlichen weltweiten Lage absolut logisch und nachvollziehbar. Das heißt, dass wir ab dem 1. April nicht mehr als Reiseleiterin und Kunden, sondern als Privatpersonen hier sind. Wir diskutieren in der Gruppe, was das genau bedeutet. So ein Briefing halte ich auch nicht alle Tage. Aber auch das meistern wir gemeinsam wirklich gut!
- Das Gemüsebeet entsteht. Stefan bearbeitet einen Teil der Wiese mit dem Traktor und legt quasi damit den Grundstein.
- Damit die Vögel die Samen nicht gleich nach dem Einpflanzen wieder herauspicken, bereiten wir Setzlinge vor. Eierkarton dient für die Aufzucht der kleinen Pflanzen, die Mariele zweimal am Tag gießt und überwacht.
- In der Zwischenzeit werden Gräben ausgeschaufelt und die Beete angelegt.
- Bereits morgens um 7 Uhr startet der freiwillige Einsatz auf dem Feld. Das Unkraut muss entfernt werden. Alles, was wir vor dem Bepflanzen entfernen, wird dann später nicht mehr lästig werden.
- Ich arbeite zum ersten Mal auf dem Feld und bin ziemlich geschafft hinterher. Über längere Zeit immer in dieser gebückten Haltung zu arbeiten geht ins Kreuz und ist wirklich anstrengend. Und dreckig wird man auch! Aber es ist definitiv eine tolle Erfahrung. Etwas Neues zu lernen, ist immer gut.
- Walti ist unermüdlich und hat immer etwas zu tun. Er hilft ein großes Boot zum Fischen, sowie das Kanu flott zu machen.
- Zusammen mit Claus finden sie einige Dinge, die es zu reparieren gilt.
- Morgens um 8 Uhr ist Zeit, um etwas für die eigene Fitness und Beweglichkeit zu tun. Walda und Bärbel geben Rückengymnastik und Julia und Feusi beglücken uns mit Pilates. Beide Kurse sind gut besucht, schließlich haben wir alle in den letzten Monaten viel zu wenig Bewegung bekommen. Das tut richtig gut, danke euch für die Mühe, die ihr euch macht!
- Ich leiste auch meinen Unterhaltungsbeitrag und gebe dreimal die Woche einen Spanischkurs.
- Ich freue mich über den großen Zuspruch.
- Für die Meisten liegt die Zeit des Schulbankdrückens doch schon etwas zurück. Daher gebührt euch mein Respekt, denn nach den wenigen Malen könnt ihr schon richtige Sätze bilden und kommunizieren. Muy bien, mis alumnos! Ich habe Freude an der Lehrerinnen-Rolle, möchte aber langfristig doch gern Reiseleiterin bleiben!
- Abends veranstalten wir Film-Abende. Gabriel erfreut uns hier mit einem Film seiner Norwegen-Reise mit Jean-Philippe. Der Projektor von Claus und Telse hat sich schon mehrfach sehr bewährt.
- Alle stecken hier sehr viel Herz hinein. Mit uns sind übrigens noch ein weiteres deutsches Paar, ein französisches Paar mit Kindern und ein spanisches Paar, ebenfalls mit Kindern auf dem Gelände. Wir alle sind in dieser Zeit eine Art Schicksalsgemeinschaft. Bis jetzt funktioniert das Zusammenleben sehr gut, doch uns muss bewusst sein, dass es vielleicht nicht immer so harmonisch sein wird. Doch mit viel Herz und Verstand werden wir diese Zeit schon gemeinsam meistern!
- Auch wenn es Einige fernab in der Heimat nicht nachvollziehen können, dass wir es bevorzugen, hier zu bleiben, fühlt sich diese Entscheidung hier und heute richtig an. Wir fühlen uns in dieser ländlichen Idylle willkommen und sicher.
- Ein großer Dank gilt Silena und ihrem Sohn Stefan, die sich unglaublich engagiert um uns kümmern und uns in diesen schweren Zeiten ein Zuhause geben. Zwei ganz tolle Menschen! Sie sprechen übrigens Beide sehr gut Deutsch, Schweizerdeutsch um genau zu sein! Auch ihr Team ist durchweg freundlich und hilfsbereit.
- Keiner weiß, wie es weiter geht. Aktuell sind wir in der zweiten Quarantäne-Woche und alle erfreuen sich bester Gesundheit. „Gestrandet im Paradies“ haben Teilnehmer unseren Aufenthalt hier betitelt. Was wird diese Auszeit mit uns machen? Die Welt wird nach dem Corona-Virus nicht mehr die sein, die sie einmal war. Ich verstehe diese Zeit als etwas Einmaliges, etwas Schicksalhaftes und als eine Chance! Sechs Monate zusammen zu reisen, ist an sich schon außergewöhnlich und verbindend, aber die momentan stattfindende Entschleunigung in unserer kleinen Schicksalsgemeinschaft hier übersteigt alles bisher Dagewesene. Zweifellos werden uns die gemeinsamen Wochen verändern und vermutlich auch für immer verbinden. Es werden ungeahnte Herausforderungen auf uns zukommen und bestimmt, wird nicht immer alles so rosig sein, wie es momentan aussieht. Aber wir sind gewillt, das Beste daraus zu machen! Ich werde euch weiterhin auf dem Laufenden halten, liebe Leser. Gebt Acht und vergesst nicht, dass es auch ein Leben nach Corona geben wird!